Anna Seghers-Preis 2021 an Magela Baudoin und Francis Nenik

Berlin, 25. Juni 2021 – Der diesjährige Anna Seghers-Preis geht an die Bolivianerin Magela Baudoin und den bei Leipzig lebenden Francis Nenik. Die Preisverleihung findet am 19. November 2021 in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin statt. Es ist zugleich der 121. Geburtstag von Anna Seghers.

Der mit jeweils 12.500 Euro dotierte Preis wird von der Anna Seghers-Stiftung an junge Autor*innen aus dem deutschen Sprachraum und aus Lateinamerika verliehen, die im Sinne von Anna Seghers mit den Mitteln der Kunst zur Entstehung einer gerechteren Gesellschaft beitragen wollen. Die Auswahl der Preisträger übernehmen im jährlichen Wechsel von der Stiftung beauftragte Persönlichkeiten aus dem literarischen Leben. In diesem Jahr sind das die Übersetzerin Christiane Quandt und die Literaturwissenschaftlerin Maren Jäger. Die Gründung der Anna Seghers-Stiftung geht auf die testamentarische Verfügung von Anna Seghers sowie deren beider Kinder Pierre und Ruth Radvanyi zurück.

Magela Baudoin (geb.1973) ist als Autorin, Journalistin und Verlegerin aktiver Teil der bolivianischen und lateinamerikanischen Literaturszene und hat zuletzt den Roman „Solo vuelo en tu caída“ vorgelegt, der im Sommer 2021 erscheint. Sie beschäftigt sich mit Fragen der Identität, wobei starke Gefühle wie Schrecken oder Zärtlichkeit den Ausgangspunkt bilden. Ihr eigener Verlag Mantis Narrativa ist auf Werke spanisch schreibender Frauen spezialisiert.

„Magela Baudoin engagiert sich nicht nur im Rahmen ihrer Verlegerinnentätigkeit für die Sichtbarkeit von Autorinnen ihres Landes, auch über die Landesgrenzen hinaus und in ihren eigenen Werken lässt sie Stimmen zu Wort kommen, die oft überhört oder gar zum Schweigen gebracht werden“, begründet Jurorin Christiane Quandt ihre Entscheidung.

Francis Nenik (geb. 1981) lebt bei Leipzig und ist durch kurze Prosaformen, literarische Essays und Romane in Erscheinung getreten. Daneben veröffentlicht er Podcasts und Hörspiele. In Form von täglichen Prosa-Miniaturen hielt er im Rahmen seines Langzeitprojekts „Tagebuch eines Hilflosen“ Beobachtungen zur Präsidentschaft Donald Trumps fest.

„Francis Nenik ist nicht nur ein sprach(aber)witziger Erzähler, sondern auch ein hellwacher Historiograph und Virtuose literarischer Essayistik im emphatischen Sinne. Er spürt vergessenen Autoren nach, ergründet die elementaren Ängste der Menschheit, das Inhumane und den menschlichen Rest in unmenschlichen Welten“, so die Jurorin Maren Jäger. „Bei seinen akribisch recherchierten Tiefenbohrungen hat er gleichwohl das Gegenwärtige fest im Blick. Nenik beherrscht Aphorismus und Skizze, Kurzgeschichte und literarische Reportage ebenso wie die große Form des Romans.“

Die Preisträgerin und der Preisträger

Magela Baudoin (geb. 1973 in Caracas, Venezuela) ist eine bolivianische Autorin, Journalistin und Verlegerin. Zu ihren Publikationen gehören die Interviewsammlung mit Frauen „Mujeres de Costado“ (Plural, 2010), der Roman über ein transsexuelles Mädchen „El sonido de la H“ (Santillana-Bolivia, 2014, Premio Nacional de Novela 2019) sowie der Erzählband „La composición de la sal“ (Plural, 2014), der mit dem Premio Hispanoamericano de Cuento Gabriel García Márquez ausgezeichnet wurde und in zahlreichen Übersetzungen vorliegt. Ihr jüngstes Buch „Solo vuelo en tu caída“ war 2020 unter den Finalisten des spanischen Literaturpreises VI Premio Ribera del Duero. Zusammen mit Giovanna Rivero leitet sie den Verlag Mantis Narrativa, der auf Werke bolivianischer Frauen spezialisiert ist und die jährlich erscheinende Zeitschrift für bolivianische Literatur El Ansia herausgibt. Derzeit arbeitet sie an ihrer Dissertation in Romanistik an der University of Oregon in den USA.

Francis Nenik ist das Pseudonym eines 1981 geborenen Schriftstellers. Er studierte Latein, Archäologie und Ästhetik und lebt heute in Leipzig und einem Dorf im sächsischen Muldental. Sein Debütroman „XO“ erschien 2012 als Loseblattsammlung (ed.cetera Verlag,  gebundene Neuauflage 2021). Es folgte 2013 der Prosaband „Ach, bald crashen die Entrechteten furchtlos gemeingefährliche, hoheitliche Institutionen, jagen kriegserfahrene Leutnants mit Nachtsichtgeräten oder parlieren querbeet Russisch, Swahili, Türkisch und Vietnamesisch, während Xanthippe Yamswurzeln züchtet“. Der Essayband „Doppelte Biografieführung“ (zuerst 2012) erschien 2016, der Roman „Die Untergründung Amerikas“ 2017. 2018 legte er zwei literarische Sachbücher vor, „Reise durch ein tragikomisches Jahrhundert“ (Voland & Quist) sowie „Seven Palms. Das Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades, Los Angeles“ (Spector Books). Von 2017 bis 2020 dokumentierte Nenik in täglichen Skizzen die Amtszeit Trumps im „Tagebuch eines Hilflosen“ (Matthes und Seitz 2021). Zuletzt erschienen der Roman „E. oder die Insel“ (Voland & Quist 2021) sowie die Podcast-Serie „SchauerGeschichte. Ängste vergangener Zeiten“ (Audible 2021).

Die Jurorinnen

Christiane Quandt ist Lateinamerikanistin und Übersetzerin für Spanisch und Portugiesisch. Sie übersetzt Literatur, Essay, Lyrik und wissenschaftliche Texte und ist Mitherausgeberin der Zeitschrift für lateinamerikanische Literatur alba. lateinamerika lesen. Sie hat an der Universität Mainz studiert und 2009 den jahrgangsbesten Abschluss erreicht. Bis 2015 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin tätig. Sie hat u.a. Esther Andradi, Bernardo Carvalho, Rocío Cerón, Francisco de Goya, Adelaide Ivánova, José Kozer, Guadalupe Nettel, Olga Novo, Gonçalo M. Tavares übersetzt. Derzeit arbeitet sie an der Übersetzung von „Panza de Burro“ von Andrea Abreu. Sie ist Mitherausgeberin von „Gedichte voll von Welt. Essays und Gespräche zur spanischsprachigen Poesie der Gegenwart“.

Maren Jäger, geb. 1977, studierte Deutsche Philologie, Anglistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft sowie Deutsch als Fremdsprache in Mainz und Glasgow. 2006 promovierte sie über „Die Joyce-Rezeption in der deutschsprachigen Erzählliteratur nach 1945“. Von 2002-2017 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten in Mainz, Duisburg-Essen und Flensburg und betreute 2006-2008 die Reihe „Poesie der Nachbarn“ für das Künstlerhaus Edenkoben. Seit April 2017 ist sie Postdoktorandin im Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Kürze, Rhetorik und Poetik, Avantgarde und Klassische Moderne, Europadiskurs(e) nach 1800, Lyriktheorie, Lyrik des 21. Jahrhunderts. Außerdem moderiert sie Lyrikveranstaltungen, ist Mitglied von Literaturpreisjurys sowie der Kritikerrunde „Lyrik lesen“

              

Presseanfragen sowie Kartenreservierungen für die Preisverleihung bitte an:
Moritz Malsch, mm@nulllettretage.de, Tel. 030-6924538.

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