Cover_Arendt

Hannah Arendt – Die Freiheit des Denkens
Sonderheft zum Philosophie Magazin,  ab 16. Juni am Kiosk

Berlin, Juni 2016 – Flüchtlingsdasein, Demokratieverdrossenheit, Menschenrechte, Unbegreiflichkeit des Bösen, Zukunft der Arbeit, der Wert der Freundschaft – die leitenden Themen des Denkens von Hannah Arendt weisen direkt ins Zentrum heutiger politischer Herausforderungen. Sie ist als Philosophin der Stunde gerade wieder neu zu entdecken. Deshalb widmet das Philosophie Magazin dieser Denkerin eine eigene Sonderausgabe. Chefredakteurin ist die Philosophin Catherine Newmark.  Die Ausgabe ist ab 16. Juni 2016 am Kiosk erhältlich.

Darin finden sich ausgewählte Texte ihres Schaffens sowie die zentralen Einsichten ihrer Philosophie und deren Bedeutung für die Herausforderungen unserer Zeit – in aktuellen Beiträgen und Interviews von und mit Bettina Stangneth, Susan Neiman, Daniel Cohn-Bendit, Gesine Schwan, Volker Gerhardt, Rahel Jaeggi, Roger Berkowitz, Enzo Traverso, Antonia Grunenberg, Stefania Maffeis.

Die Themenblöcke:

 DENKEN OHNE GELÄNDER – Editorial von  Catherine Newmark
Zitat:
„Arendt wieder zu lesen, heißt nicht, bloß ihren Ideen zu folgen. Sondern vielmehr auch ihrem Ideal, dem beherzten Denken „ohne Geländer“ und ohne Vorurteile.“

DENK-BEZIEHUNGEN
Für Hannah Arendt ging Lieben und Denken zusammen, sie pflegte als Freundin ebenso wie als Liebespartnerin den leidenschaftlichen Gedankenaustausch. Von ihrer frühen Liebe Martin Heidegger, über ihren großen Mentor und Freund Karl Jaspers bis zu ihrem zweiten Ehemann und langjährigen Denk-Gefährten Heinrich Blücher. Martin Legros schreibt Arendts Biographie als Geschichte ihrer Freundschaften. Ihr Schüler und Freund Leon Botstein erinnert sich an ihre Wirkung den USA – und die ergreifende Totenrede ihres lebenslangen Freundes Hans Jonas beschwört ihr „Genie der Freundschaft“.

FLUCHT, JUDENTUM, MENSCHENRECHTE
Nach der „Machtergreifung“ der Nazis 1933 musste Arendt als Jüdin aus Deutschland fliehen – zunächst nach Paris, 1941 weiter nach New York. Die Erfahrung, Flüchtling und Staatenlose zu sein hat sie politisch nachhaltig geprägt. Als Jüdin angegriffen, sah sie sich  genötigt, sich als Jüdin zu verteidigen und sich mit dem Scheitern der jüdischen Assimilation, der sie entstammte, auseinanderzusetzen. In „We Refugees“ beschreibt Arendt schonungslos, was Flucht aus Menschen macht. Stefania Maffeis schreibt die Geschichte von Hannah Arendts frühem Exil in Paris als eine Geschichte des Nachdenkens über das Außenseitertum und die renommierte Professorin der Yale University Seyla Benhabib setzt sich mit Arendts pointierter Kritik der Menschenrechte, die Flüchtlinge nicht schützen, auseinander.

TOTALITARISMUS
Arendts erstes großes Werk nach dem Krieg, die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ist eine raumgreifende Geschichte des Traditionsbruches, der zu Regimen des Terrors in Europa führte. Antonia Grunenberg erklärt im Gespräch die Hintergründe von Arendts Analyse und erläutert die von ihr herausgearbeiteten totalitären Elemente, die als grundlegende Gefahren für moderne Demokratien weiterwirken können. Der Historiker Enzo Traverso skizziert die Karriere des Kampfkonzeptes Totalitarismus und reflektiert seine Anwendbarkeit auf heutige Phänomene kritisch.

VITA ACTIVA
Was tun wir eigentlich, wenn wir tätig sind? Eine Frage, die für Hannah Arendt in ihrem zweiten Hauptwerk „Vita activa“ mitten hinein in die „Conditio humana“ führt. Wie Bérénice Levet zeigt, hat Arendt dabei als eine der ersten nicht die Sterblichkeit des Menschen, sondern seine „Gebürtlichkeit“ als zentrales Faktum begriffen. Die Aufteilung der menschlichen Tätigkeiten in Arbeiten, Herstellen und Handeln, der Arendt großes Gewicht beimisst, beleuchtet Rahel Jaeggi im Gespräch kritisch mit Blick auf die heutige Frage nach dem Sinn unseres Tuns und unserer Arbeit.

DAS BÖSE
Eichmann in Jerusalem“, Arendts Bericht über den Eichmann-Prozess 1961 ist und bleibt ihr umstrittenstes Werk: das Schlagwort von der „Banalität des Bösen“ ist oft als eine Entschuldigung der Täter aufgefasst worden. Susan Neiman, Autorin von „Das Böse denken: Eine andere Geschichte der Philosophie“, legt dar, warum für sie Arendts Buch der „größte philosophische Entwurf einer modernen Theodizee“ ist. Verteidigt werden nicht die Täter, wohl aber die Welt, in der das unbegreiflich Böse des Holocaust passieren konnte. Die Philosophin und Historikerin Bettina Stangneth, Autorin des bislang umfassendsten Werkes über Eichmann, stellt klar, wie sehr sich Arendt in der Person Eichmanns getäuscht hat, der kein harmloser Beamter sondern ein überzeugter Antisemit und Mörder war. Und hält trotzdem fest, wie fruchtbar Arendts Analyse des Bösen für das Nachdenken auch heute ist.

POLITIK.MACHT.ÖFFENTLICHKEIT.
Politisiert wurde Hannah Arendt durch die nationalsozialistische Verfolgung, die eigene Erfahrung von Flucht und Exil. Das Politische blieb für sie zeitlebens von zentraler Bedeutung: als engagierte Staatsbürgerin und als wirkmächtige öffentliche Stimme. Ihre Analysen der Probleme von Demokratien sind gerade heute aktueller denn je. Der amerikanische Philosoph Roger Berkowitz analysiert mit Arendt die gegenwärtig angesichts von Populismus und Politikmüdigkeit sich stetig steigernde Krise der repräsentativen westlichen Demokratien. Der deutsch-französische Politiker und Umweltaktivist Daniel Cohn-Bendit erzählt, wie das politische Denken seiner Generation von Hannah Arendt mit-beeinflusst wurde. Und im großen abschließenden Dialog betonen die Politikerin und Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan und der Philosoph Volker Gerhardt, wie nötig wir Hannah Arendts Ideen der gemeinsamen Handlungsmacht und der öffentlichen Kommunikation gerade heute hätten. Und kritisieren dabei sowohl die Weigerung der Politik, öffentliche Begründungen für ihre Entscheidungen vorzulegen, als auch die Abwesenheit von Orten für echte Debatten unter Bürgern.

 

PRESSEKONTAKT:
Sabine Schaub, Schwindkommunikation, Knesebeckstr. 96, D-10623 Berlin, Tel: +49 – 030 31 99 83 20 s.schaub@nullschwindkommunikation.de