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Pragmatisch. Praktisch. Gut?
Philosophie Magazin Heft 6 / 2017 erscheint am 14. September

Berlin im September 2017 – Der Pragmatismus gehört zu den Kardinaltugenden unserer Epoche. Und Frau Merkel verkörpert ihn in besonderem Maße. Doch zugleich impliziert er Ideenarmut und Prinzipienlosigkeit. Oder ist das alles ein Missverständnis?

Dossier
Pragmatisch. Praktisch. Gut?
Besonders in Deutschland besitzt die aus den USA stammende Denktradition ein zweifelhaftes Image. Sie gilt als rein zweckorientiert, theoriefern und allzu marktkonform. Dabei ist der Pragmatismus eine philosophische Bewegung, der es vor allem um eines geht: eine radikale Erneuerung der liberalen Demokratie.

Mehr Pragmatismus wagen!  Einführung von Philipp Felsch
Was könnte eine pragmatische Politik auf der Höhe ihrer Möglichkeiten sein? Dafür muss zunächst ein landläufiges Missverständnis ausgeräumt werden: Pragmatismus bedeutet keineswegs, ohne Ideen, ohne Überzeugungen, ohne Philosophie zu handeln.
Zitate:
„Für Pragmatisten ist die Demokratie im Kern ein soziales Echtzeitexperiment.“

„Während Macrons Pragmatismus als Programm und als Bewegung auftritt, verkörpert seine Merkelsche Variante eine Veränderungen abgeneigte, statisch-stabile Sicherheitsoption.“ 

Die Politik des Als Ob  – von Nils Markwardt
Von der Atomwende bis zur Flüchtlingskrise: Angela Merkels Politik polarisiert. Dennoch gilt sie als Meisterin des geschmeidigen Pragmatismus. Wie schafft sie das? Die Antwort findet sich bei Hans Vaihinger, einem längst vergessenen Philosophen: durch die Kraft der „nützlichen Fiktionen“
Zitate:
„Es gelingt Merkel stets, pragmatisch zu wirken, ohne im eigentlichen Sinne pragmatisch vorzugehen…Merkels Regieren des Als-ob (besteht) darin, stets so zu handeln und zu kommunizieren, dass man im Nachhinein plausibel behaupten kann, dass etwas für wahr gehalten wurde.

„So entsteht … zwischen Kanzlerin und Bürgern eine Art demokratisches Doublebind – ein wohlwollendes, wechselseitiges Zugestehen blinder Flecke. Aus der Wählerperspektive lautet dies dann: Regiere du so, dass ich im Nachhinein glauben kann, dass du zuvor ein leitendes Ziel hattest. Aus Sicht der Regierenden aber: Gebt mir so lange Zeit, bis die Ergebnisse es euch ermöglichen, mir zu glauben, ich hätte eine handlungsleitende Überzeugung gehabt.“ 

Michael Hampe – „Expertenherrschaft ist der Tod der Demokratie“
Der Philosoph über Trump, Brexit und die Notwendigkeit einer pragmatischen Utopie
Zitate:
„Unsere westlichen Demokratien leiden unter einer durch ein scharfes Bewusstsein für komplizierte Sachzwänge installierten Expertokratie, in der behauptet wird, die Verhältnisse …seien so komplex, dass normale Wähler sie gar nicht mehr verstehen könnten. Diese Tendenz zur Entmündigung ist unter anderem für den Brexit verantwortlich.“ 

„Frau Merkel ist ideologiefrei. Sie ist eine Problemlöserin, sie passt sich an die jeweilige Sachlage an und versucht, sie zu erkennen. Das ist eine gute Option für Leute, die eine Politik ohne Visionen haben wollen. Das ist Pragmatismus im umgangssprachlichen Sinn. Der philosophische Pragmatismus ist aber etwas anderes.“

 Es war einmal in Amerika. Die Story des Pragmatismus – von Martin Duru
Wer die zentralen Fragen des Lebens pragmatisch angeht, ist kein Theoretiker, ja, überhaupt kein besonders reflektierter Mensch? Falsch gedacht! Unter dem Begriff des Pragmatismus bildet sich Ende des 19. Jahrhunderts an der amerikanischen Ostküste eine Denkschule heraus, die zu den inspirierendsten unserer Zeit zählt

 Praktisch gescheitert? Drei Fallbeispiele im Realitätscheck
Zürcher Pilotprojekt zur Verbesserung der Lage von Prostituierten, Berlusconis Steuersünderamnestie und das jüngst in Finnland begonnene Testphase des bedingungslosen Grundeinkommens

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Außerdem u.a.:

Pankaj Mishra im Gespräch: „Die deutsche Erfahrung ist für die Welt zentral“
Der Gewinner des Leipziger Buchpreises zur europäischen Verständigung (2014) führt scheinbare Gegensätze zusammen, ohne dabei eine versöhnende Vermittlung anzustreben. Gespräch mit einem Mann, dessen Zorn ihn zu neuen Einsichten führt.

Zitate:
„Die Geschichte vom Fortschritt, den wir über die ganze Welt verbreitet haben, ist ein Märchen, denn er wurde wahnsinnig teuer bezahlt.“

„Wir erkennen gerade, dass der Planet möglicherweise nicht so ausgebeutet werden kann, dass mehr als drei Milliarden Menschen dieselben Vorzüge der Moderne erhalten können, wie sie die Menschen in diesem Teil der Welt über die letzten 100 Jahre genossen haben. In regelmäßigen Abständen geraten die daraus entstehenden Gefühle von Frustration, Wut und Erniedrigung zu einer politisch toxischen Mischung.“

 „Es ist die irrige Vorstellung, dass marktwirtschaftlich getriebenes Wachstum breite Mittelschichten und rechtsstaatliche Ordnung hervorbringen würde.“

Perspektive: Milliarden für Ideen. Ein Interview mit Nicolas Berggruen
Immer mehr sogenannte Superreiche geben einen Großteil ihres Vermögens für philanthropische Projekte aus. Auch die Philosophie ist davon mittlerweile betroffen. 500 Millionen Dollar plant allein der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen für die Ausarbeitung neuer Leitideen bereitzustellen. Lassen sich große Gedanken erkaufen? Und falls ja, mit welchen Zielen?
Zitate:
„Identitäten, Kulturen und Menschen werden durch den Fortschritt destabilisiert. Aus meiner Sicht ist dieser Erneuerungsprozess grundsätzlich etwas Positives ….Doch in vielen Ländern pausiert er zumindest….Alle schauen sie in die Vergangenheit.“

„Kulturen und Menschen werden durch den Fortschritt destabilisiert. Aus meiner Sicht ist dieser Erneuerungsprozess grundsätzlich etwas Positives und lässt sich langfristig sowieso nicht auf halten. “

„Wir glauben, dass die Welt des Denkens Unterstützung braucht, weil wir in einer Art Achsenzeit leben: Während uns immer mehr die Orientierung bei den großen Zeitfragen fehlt, gewinnen reaktionäre Strömungen überall an Macht. Deshalb gibt es einen dringenden Bedarf an neuen Ideen. (…)“

„Der Westen weiß nicht sehr viel über die östlichen Traditionen. Doch nur da, wo Wissen ist, findet man auch Respekt. Nun, da China im Aufstieg begriffen ist und der Westen mit sich selbst zu tun hat, wird dieser Dialog wichtiger werden – und hoffentlich auch lebendiger.“

Reportage: Gibt es ein richtiges Spielen im Falschen? – von Dominik Erhard
Von vielen werden Computerspiele noch immer nicht ernst genommen. Dabei sind sie mittlerweile ein milliardenschweres Geschäft. Und während PC und Playstation zu Spielplätzen von Kunst und Philosophie avancieren, durchdringt die Gamifizierung unseren Alltag

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Aktuelles:

Wie sich der Wert Neymars wirklich erklärt – von Wolfram Eilenberger
Der Spielermarkt im Fußball erreicht absurde Dimensionen. Er folgt einer Ökonomie, deren Rationalität nichts mehr mit dem Leistungsgedanken zu tun hat

Kampf der Erinnerungskulturen  – von Philipp Felsch
In den USA ist ein blutiger Streit um unsere Erinnerungskultur entbrannt. Nicht nur hier stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit Monumenten vergangenen Unrechts um?

„Fluchtrouten können immer nur eine Notlösung sein“   – mit Frank Dietrich
Zitate:
„Grundsätzlich müssen sich die NGOs mit den Folgen ihrer Handlungen auseinandersetzen. Es reicht nicht aus, sich auf die guten Absichten zu berufen, die zweifellos vorhanden sind.“

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Klassikerdossier:

Denis Diderot und die Freiheit

 

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