Tagung des Netzwerks Lyrik vom 5. bis 7. November 2021 im Literaturhaus Halle

Berlin, 13. Oktober 2021. – Vom 5. bis 7. November 2021 gastiert das Netzwerk Lyrik in Kooperation mit dem TOLEDO-Programm des deutschen Übersetzerfonds im Literaturhaus Halle an der Saale. Eine öffentliche Konferenz geht an drei Tagen Fragen der Poesieübersetzung nach. Denn die Unübersetzbarkeit von Gedichten ist immer wieder behauptet und beklagt worden und immer wieder wurde übersetzt; zu unser aller Glück. Übersetzer von Gedichten stehen vor besonderen Entscheidungen: Übertrage ich primär die musikalischen Elemente des Gedichts, seine Klang- und Rhythmusstruktur, oder Vers und Reim zu Lasten dessen, wovon das Gedicht spricht oder umgekehrt?

Eine Debatte

Gleich in ihren Eröffnungsstatements am 5. November 2021, 17.30 Uhr, werden die Essayistin und Übersetzerin Theresia Prammer und der Dichter Mirko Bonné  verschiedene Herangehensweisen, Lyrik zu übersetzen, zur Debatte stellen.

In Workshops, Plädoyers, Performances, Materialgesprächen oder Gesängen treten ÜbersetzerInnen als gesellschaftliche Akteure in Aktion. Mit dabei sind unter anderem Marcel Beyer oder Frieder von Amon, wenn es beispielsweise um das Übersetzen von Friederíke Mayröcker oder Paul Celan im internationalen Kontext geht. Seien es die verborgenen Assoziationsräume von Dantes „Inferno“ oder Schlüsselbegriffe der Innu in den Texten von Joséphine Bacon, der Grande Dame der indigenen Dichtung Québecs. Übersetzungen von Poesie sind  sehr persönliche, intime, ästhetische wie politische Auseinandersetzungen mit Sprache als Haltung und spannend wie ein Krimi.

Was geschieht, wenn Gedichte übersetzt werden?

Wer tut dies und unter welchen Bedingungen? Was können, was müssen, und was sollten diejenigen wissen, die uns als DichterInnen, PhilologInnen und LyrikübersetzerInnen die Poesien in den Sprachen der Welt nahebringen wollen? Wie lassen sich in der Übersetzung Gedichte schaffen, wenn jede Sprache ihre eigenen Resonanzräume erzeugt? Und wie lassen sich Poesieübersetzungen letztlich bewerten?

Dass die Übertragung von Lyrik als Königsdisziplin gesehen wird, steht in krassem Missverhältnis zur kaum vorhandenen Sichtbarkeit dieser heterogenen Gruppe von Einzelkämpfern. Umso wichtiger ist diese Form der Lyrikkonferenz, als ein erster wichtiger Schritt, die weltweit verstreuten ÜbersetzerInnen von Dichtung aus dem Schatten treten zu lassen: Es sind Tage eines  Erfahrungsaustausches, an dem Publikum teilhaben kann. Greifbar und sinnlich wird es besonders, wenn der Dichter und Übersetzer Norbert Hummelt georgische Rezepte zum Nachdichten serviert – oder wenn das Publikum in einem kollektiven Versuch eingeladen ist, einen Dreizeiler von Ágnes Nemes Nagy, der „ungarischen Ingeborg Bachmann“, über Telegraphenmaste zu übersetzen. Das Zusammentreffen von Sprachwelten und Übersetzerexpertisen gipfelt in der vielstimmigen Hommage an Friederike Mayröcker. Die Übersetzung ihrer Gedichte bildet den Ausgangspunkt gemeinsamer sprachlicher Entdeckungen, die sich gerade aus der Verschiedenheit der Sprachen nähren und eine eminent politische Dimension in sich bergen. Fragen der Texttreue und der dichterischen Freiheit stehen im Raum und laden ein zu einer Reise durch verschiedene poetische Traditionen und Übersetzungskulturen.

Auf dem Weg zu „Sensitivity Translating“ oder  „Cancel-(un)culture“?

Um Übersetzungen ist lange nicht mehr so heftig gestritten worden wie bei den Debatten um Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climb“.  Die Auseinandersetzung hat sich dabei längst gelöst von der Frage nach der Stimmigkeit der Übertragung. Übersetzungsfragen werden in die Diskussion um Identitäten, Deutungsmacht und Partizipationsmöglichkeiten unterrepräsentierter Gruppen gestellt. Die Abschlussdebatte der Konferenz macht in dieser Hinsicht einen neuen Anlauf, wenn die Dichterin Kerstin Preiwuß, die Lektorin Katharina Raabe, die afro-deutsche Autorin und Literaturwissenschaftlerin Marion Kraft und der Dichter und Übersetzer Steffen Popp Sensibilitäten nachgehen, die ihre Arbeit mental, politisch oder ideologisch begleiten.

Die Veranstaltungen im Literaturhaus Halle/Saale sind öffentlich, der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist erforderlich. Nähere Informationen auf der Webseite www.literaturhaus-halle.de, www.netzwerk-lyrik.org www.toledo-programm.de

Das Programm wird außerdem live auf dem YouTube-Kanal von Netzwerk Lyrik gestreamt und bleibt dort auch nach der Tagung abrufbar. 

Die Tagung wird kuratiert von Aurelie Maurin und Ernest Wichner.

Aurélie Maurin ist Leiterin des TOLEDO-Programms des deutschen Übersetzerfonds, Literaturübersetzerin und Herausgeberin (zuletzt: „Apollo 18. Expeditionen zu Guillaume Apollinaire“, Verlag Das Wunderhorn 2021). Seit 2020 ist sie künstlerische Leiterin des Lyrikertreffens Münster (zusammen mit Ulf Stolterfoht).

Ernest Wichner ist ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer. Wichner war von 1988 bis 2003 stellvertretender Leiter des Literaturhauses Berlin und von 2003 bis 2017 dessen Leiter. 2020 wurde er für seine Übersetzungen rumänischer Literatur ins Deutsche mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung ausgezeichnet.

Ein Projekt von Netzwerk Lyrik e.V. in Kooperation mit TOLEDO und dem Literaturhaus Halle an der Saale. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien/Neustart Kultur, dem Deutschen Übersetzerfonds und der Vertretung der Regierung von Québec in Deutschland.

Weitere Informationen zum Netzwerk Lyrik www.netzwerk-lyrik.org

Informationen zu TOLEDO www.toledo-programm.de

 

Pressekontakt:
Aurélie Maurin, Leiterin TOLEDO-Programm des deutschen Übersetzerfonds, E-Mail: maurin@nulluebersetzerfonds.de